"Wir verstehen uns als Kümmerer"
Ein Gespräch mit Christoph Helbich über das Selbstverständnis von SHA
Vor vier Jahren ist das erste SHA-Journal erschienen. Was hat sich in der Zwischenzeit bei SHA getan?
Wir haben ein unglaublich tolles Gebäude auf Phoenix West bezogen, sind trotz der Coronapandemie weiter enorm gewachsen, haben unseren Standort in Berlin gestärkt und sind eine internationale Partnerschaft mit Gina Barcelona Architects eingegangen. Nebenbei konnten wir unsere Spezialisierung vertiefen und unsere Handlungsfelder ausweiten. Insgesamt hat sich unser Büro extrem gut weiterentwickelt.
Denken Sie hier an etwas ganz Spezielles?
In der Vergangenheit lagen unsere Schwerpunkte vor allem in der Planung großer Baustoffhandlungen, Zweiradcenter und Sportstätten. Heute wissen wir, dass unsere Spezialisierung viel weiter gefächert ist und wir unsere Bauherren immer dann besonders gut beraten können, wenn es um komplexe Material- und Warenflüsse, Produktions- und Logistikabläufe oder um die systematische Organisation von vielfältigen Funktionsbereichen geht. Wir verfügen über ein branchenübergreifendes Know-how und verstehen es, diese Prozesse zu strukturieren. Somit sind zu unseren klassischen Spezialthemen noch viele weitere Branchen hinzugekommen.
Ist es denn überhaupt das, was man gemeinhin unter Architektur versteht?
Es ist weit mehr als das; es ist ,Architektur plus‘. Da bei uns an erster Stelle die funktionalen Abläufe stehen und anfangs die logistischen Prozesse gelöst und organisiert werden, können wir Beliebigkeit im Entwurfsprozess ausschließen. Gute und sinnfällige Architektur ist die logische Ableitung der Funktion.
Das 125 Jahre alte Zitat des Chicagoer Architekten Louis Sullivan „Form follows function“ ist für uns aktueller denn je. Wir schauen uns Ort und Nutzer sehr genau an und hinterfragen bestehende Abläufe. Diese können wir mit vielen ähnlichen Situationen und Betrieben vergleichen und erkennen als Außenstehende sehr gut, wo die Engpässe bestehen. In vielen Fällen benennen wir dem Bauherrn seinen Bedarf, ohne dass er uns ein konkretes Raumprogramm vorgibt.
Was meinen Sie, wenn Sie von „Planung aus einer Hand“ sprechen?
So komplex wie die inneren Funktionsabläufe ist heute auch der Bau- und Planungsprozess. Niemand kann für sich in Anspruch nehmen, dies alles allein abzudecken. Umso wichtiger ist es, ein Netzwerk an Spezialisten aufzubauen, in dem für jede individuelle Anforderung der richtige Partner greifbar ist. Wie der Dirigent eines Orchesters führen wir alle Fachdisziplinen zu einem gemeinsamen Werk zusammen. Am Ende kann sich der Bauherr darauf verlassen, mit SHA nur einen Ansprechpartner zu haben.
Dabei ist uns das reine Auftragsverhältnis beinahe egal: Entweder beauftragt der Bauherr separat oder uns stellvertretend für die Fachdisziplinen als Generalplaner. Unser Verständnis von Verantwortung gegenüber dem Bauherrn ist in beiden Fällen gleich. Uns geht es um eine ganzheitliche Beratung des Bauherrn – und das über das Bauliche hinaus. Wir verstehen uns als Unternehmensberater in funktioneller Hinsicht und vor allem als Kümmerer fürs Ganze.
Welche Rollen übernehmen die Kollegen in Berlin und Barcelona?
Dies ist genau der gleiche Grundgedanke: Die Projekte werden immer komplexer und wir wollen uns immer weiter spezialisieren; also brauchen wir weitere Kollegen mit speziellem Fachwissen. Mit Gina Barcelona Architects haben wir im letzten Jahr den Wettbewerb für ein großes Gymnasium in Düsseldorf gewonnen. Sie verfügen über die Erfahrung im Schulbau, während wir stark in der Ausführung sind. Gleichzeitig können wir mit unserem Büro in Berlin der Nachfrage unserer Bauherren auch räumlich immer besser gerecht werden. Wir sind inzwischen richtig breit gefächert aufgestellt.
Das kann man wohl sagen. Und was kommt als Nächstes?
Im Augenblick planen wir gerade ein grünes Parkhaus mit Holzlamellen und vertikaler Bepflanzung. Die gesamte Fassade ist wie ein Spalier grün bewachsen und kann das CO2 das im Gebäude immer noch freigesetzt wird, per Photosynthese in Sauerstoff umwandeln. Das ist absolute Low-Tech und unser Beitrag gegen den Klimawandel.